Test Bowers & Wilkins 683 S2 Standlautsprecher - FIDELITY online (2024)

Bowers & Wilkins 683 S2 – Noblesse und Punch

Manches ist heute halt doch besser. Zum Beispiel Lautsprecher. Man bekommt mehr Klang fürs Geld als vor 20 oder 25 Jahren.

Zum Beispiel bei der aktuellen 600er-Serie von B&W. Ein klarer Fall von höchst gelungenem vertikalem Technologie-Transfer, vor allem bei der 683 S2, dem derzeitigen Topmodell in der „Budget-Klasse“ der innovativen Briten. Wobei „Budget“ natürlich eine nicht mehr gelinde, sondern schon despektierliche Untertreibung darstellt. Denn mit den schepperigen Brüllboxen aus den Ich-bin-manchmal-ganz-schön-blöd-Märkten haben selbst die preisgünstigsten Schallwandler aus dem Hause Bowers & Wilkins rein gar nichts zu tun.

Dafür sind die guten Gene der großen Geschwister wie etwa der formidablen 802 D3 (FIDELITY Nr. 25, Ausgabe 3/2016) auch in der „kleinen“ Klasse – die 683 S2 geht für 1500 Euro pro Paar über den Tresen – unüberhörbar. Die tonale Balance. Die unverfärbte Wiedergabe von Stimmen, ganz egal, ob sich Régine Crespin in die ätherischen Höhen von Hector Berlioz’ hochromantischen „Sommernächten“ (Les Nuits d’Eté, Decca) aufschwingt oder der große Eddie Boyd sich mithilfe einer Band, die damals noch „Peter Green’s Fleetwood Mac“ hieß, durch akustische Nummern wie „Just the Blues“ knaudelt, ist einfach vorbildlich.
Dass zwei Tieftöner mit gerade einmal 16,5 Zentimetern Durchmesser so weit und vor allem so trocken-knackig in den Frequenzkeller hinuntersteigen, ohne ernsthaft zu limitieren, ist ein Kabinettstückchen, an dem schon ganz andere in Schönheit gescheitert sind. Bei den B&W-Säulen muss man schon in das Regal ganz anderer Preislagen greifen, um festzustellen, dass ein wenig fehlt. Nicht der Rede wert, wenn man nicht gerade zu den Subbass-Fetischisten im Lande zählt und 23 Stunden am Tag Dubstep hört. Ich als (Achtung, Reihenfolge!) Klassik-Jazz-Blues-Pop-Hörer habe mich dagegen auf Anhieb in gewisse angenehme Charakterzüge der B&W 683 S2 verliebt. Sie geht mit Sängerinnen ausgesprochen charmant um, ohne feine Einzelheiten wie Gretje Kauffelds notorisches Räuspern vor dem Einsatz zu unterschlagen. Ein Vollweib wie Adele Laurie Blue Adkins wird über die 683 S2 nicht zum vokalen Hungerhaken, sondern bleibt im wahrsten Sinn des Wortes ein popmusikalisches Schwergewicht – und ihr Superhit „Hello“, der aus dem Autoradio gehört (zu) schnell in die Belanglosigkeit abdriftet, bleibt die Gänsehaut-Nummer, als die er gedacht ist.

Höre ich über die B&W große Orchester wie die Berliner Philharmoniker unter Claudio Abbado mit Schmachtfetzen vom Kaliber des Adagios aus Gustav Mahlers Fünfter Sinfonie (Deutsche Grammophon), dann verzwergt diese schlanke Boxensäule nie den großen Klangkörper, belässt dem Orchester im Rahmen des physikalisch Möglichen seine Größe – und erlaubt es sogar ansatzweise, jedem der über 100 Musiker auf dem Podium seinen Platz im weit gespannten Hörpanorama zuzuweisen. Womit wir bei einer der größten Stärken dieser Box wären: ihrer unverrückbar stabilen Räumlichkeit und der Fähigkeit, schier gigantische Räume aufzuspannen, ohne diffus zu klingen oder es zu übertreiben. Wenn Esbjörn Svensson auf dem letzten zu seinen Lebzeiten erschienenen Album Viaticum (ACT) seine genialen Jazz-Meditationen ins Klavier stemmt, mit ungeahnten Harmonien und inegalen Rhythmen experimentiert, dann gibt die B&W 683 S2 nicht nur die durchaus komplexen Collagen des Trios so filigran wie eine Tuschezeichnung wieder, sondern gestattet den Blick in die Metaebene, die Svenssons Musik aufzuspannen vermochte. Das sind Farben und Metren, die manchmal so orgiastisch wie ein Drogenrausch daherkommen, die man mit geschlossenen Augen zu Bildern zusammenfügt, die nicht mehr von dieser Welt zu sein scheinen.

Und dann hebt man mit etwas Mühe die Augenlider und wundert sich, dass die Wände des Hörraums noch stehen, sucht die Visionen, von denen man gerade noch durchflutet wurde. Stattdessen stehen da zwei schlanke weiße Böxchen, deren Schallwände im Vergleich zum direkten Vorgängermodell deutlich schmaler geworden sind. Dennoch hat der Lautsprecher in Sachen Volumen und Präsenz fühlbar zugelegt – ausgeklügeltes Bassreflex-Design und eine stark überarbeitete Frequenzweiche machen es möglich.
Nichtsdestotrotz ist die B&W 683 S2 keine jener stromlinienförmig seelenlosen CAD-Konstruktionen, die zwar nichts falsch machen, aber auch nicht viel richtig. So gibt sie sich etwa in ihrer tonalen Noblesse, ihren minimal gesofteten Höhen, ihrer tendenziell warmen Abstimmung als typische Engländerin zu erkennen – ohne gleichwohl jene spektralen Sünden zu begehen, die bei Equipment von der Insel lange zum Standard zu gehören schienen. Im Klartext: Die B&W 683 S2 ist ganz bestimmt nicht die neutralste Box, die mir in Jahrzehnten der Beschäftigung mit HiFi begegnet ist – aber sie ist objektiv genug, um sehr genau zu verraten, wie es um die Qualitäten einer Aufnahme bestellt ist. Sie verzichtet allerdings darauf, ihre Zuhörer mit Tonmeister-Fehlern oder zweifelhaften Sangeskünsten über Gebühr zu quälen. Ein dezentes „Das ist jetzt nicht so toll“ als kleiner Warnhinweis – und dann macht sie aus dem Vorhandenen das Bestmögliche.

Ein Zaubertrick, der noch dazu quer durch alle Genres, durch alle Arten von Musik funktioniert. Die B&W 683 S2 ist ein dezidierter Genuss-Schallwandler mit hohem Spaßfaktor. Wer mich und meinen Spieltrieb kennt, weiß auch, dass ich aus dem Testfeld, das in der FIDELITY-Zentrale herumsteht, gerne einmal völlig unvernünftige, ja beinahe unsinnige Kombinationen zusammenstelle. Deshalb entblödete ich mich auch nicht, die B&W spaßeshalber mit den riesigen Amplifon-Röhrenmonos zusammenzuspannen, die gut angewärmt nur darauf warteten, Musik in Maximalqualität an die Lautsprecherklemmen zu schicken. Natürlich macht das kein vernünftig denkender Mensch. Aber das Ergebnis war so verblüffend, dass es hier einfach nicht verschwiegen werden darf: Dass die B&W fein klingen kann, war vorher klar. Dass die 1500-Euro-Boxen an den 50 000-Euro-Endstufen allerdings einen so hörbaren Sprung nach vorne machen würden, hatte niemand auf der Rechnung. Ein größeres Kompliment kann man den „Kleinen“ kaum machen: Sie danken jede Verbesserung auf Quellenseite und sind auch durchaus dankbare Objekte für Kabelexperimente.

Wo der Hersteller überhaupt gespart hat? Nicht am Klang, das ist ausgemacht. An der Gehäuseoberfläche ein bisschen, denn die Folierung erinnert an die wohlfeilen Regal-Kreationen eines bekannten skandinavischen Möbelhauses. Was zwar die Freunde von poliertem Wurzelholz nicht restlos glücklich machen dürfte, aber das Konto spürbar schont.
Zumal man der B&W 683 S2 sowieso am besten im abgedunkelten Hörraum lauscht, über Wiedergabetechnik gar nicht mehr nachsinnt und sich einfach in die Musik saugen lässt. Während ich diese Zeilen schreibe, singt Madeleine Peyroux für mich traurige Jazzballaden, wiegt mich in wohliger Melancholie und macht mein Herz ganz leicht …

Standlautsprecher
Bowers & Wilkins 683 S2

Funktionsprinzip: 3-Wege-Standlautsprecher, Bassreflex
Bestückung: 2 x 16,5-cm-Tieftöner mit Aluminiummembran, 15-cm-Mitteltöner mit Kevlar-Gewebemembran, 2,5-cm-Hochtöner mit doppellagiger Aluminiumkalotte
Wirkungsgrad: 89 dB
Nennimpedanz: 8 Ω (Minimum 3 Ω)
Ausführungen: Esche weiß mit hellgrauem Grill oder Esche schwarz mit schwarzem Grill
Maße inkl. Standfuß (B/H/T): 32/102/37cm
Gewicht: 27 kg
Garantiezeit: 10 Jahre (bei Registrierung)
Paarpreis: 1500 €

B&W Group Germany GmbH
Kleine Heide 12
33790 Halle/Westfalen
Telefon 05201 87170

www.bowers-wilkins.de

Die angezeigten Preise sind gültig zum Zeitpunkt der Evaluierung. Abweichungen hierzu sind möglich.

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